84 Menschen kamen am Samstagabend, 25. September 2021, in die reformierte Kirche Gontenschwil, um die Lebensgeschichte der Familie Haller zu hören. Ausschlaggebend war ein Besuch der Sozialdiakonin Rahel Fritschi beim gontenschwiler Ehepaar, weil sie vernommen hatte, dass sie die Menschen im Dorf gerne über ihre Situation aufklären möchten. Häufig kommt die Ambulanz oder sogar der Rettungshelikopter zum Geissenkragen, was viele Vermutungen und Fragen auslöst. Menschen ziehen sich zurück oder trauen sich nicht, die Familie offen darauf anzusprechen. Dies sollte sich mit ihrer Lebensgeschichte an der Firobe Chile ändern.
Im Interviewstil führte Rahel Fritschi durchs Gespräch. Chantal und Stefan Haller erklärten zunächst die seltene Krankheit, an der ihre jüngste Tochter Lielle seit dem fünften Lebensmonat leidet. Das Dravet-Syndrom ist eine sehr seltene und schwere neurologische Erkrankung (1:22'000). Typischerweise kommt es bei einem zunächst gesunden Kind im ersten Lebensjahr zu epileptischen Anfällen in unterschiedlichsten Formen, die oft besonders lange dauern und oft nur schwer mit Medikamenten zu stoppen sind. Die Anfallsunterbrechung ist vor allem im Kleinkindalter sehr schwierig, was sehr häufig eine sofortige notfallärztliche Intervention erfordert. Bis jetzt gibt es noch keine Therapie, die wirklich hilfreich ist. Der häufigste Anfallsauslöser bei kleinen Kindern ist ein rascher Wechsel der Umgebungstemperatur wie ein warmes oder kaltes Bad oder eine Veränderung der Körpertemperatur. Neben körperlicher Anstrengung und Übermüdung sowie Infekten können auch Aufregung, Lärm oder visuelle Reize zu Anfällen führen. Wer mehr darüber wissen möchte, wende sich an www.dravet.ch.
Am schlimmsten für das Ehepaar Haller ist die Angst vor dem plötzlichen eintretenden Tod SUDEP, der vor allem nachts oder bei einem Anfall eintreten könnte. Hoffnung und Halt dagegen gibt der Familie die Vernetzung mit anderen betroffenen Familien und einer Schweizer Forscherin, welche im Kinderspital in Ohio ein Forschungslabor leitet. Lielles Zellen werden mit in die Forschung einbezogen.
Ebenso sind sie in einem deutschen Härtefallprogramm eingebunden, durch welches sie ein noch nicht in der Schweiz zugelassenes Medikament zur Verfügung gestellt bekommen. Gerade dieses Medikament hat das Leben von Lielle und der ganzen Familie etwas leichter gemacht. Die langandauernden Anfälle haben sich seither von mehrmals wöchentlich auf ca. monatlich reduziert. Stattdessen fällt das Mädchen mehrmals täglich durch kleine Sturzanfälle und kann aufgrund dessen keinen Schritt aus den Augen gelassen werden. Zudem ist sie durch die Krankheit in ihrer Entwicklung verzögert. Sie kann z.B. noch nicht sprechen oder Treppensteigen.
Trotz der Krankheit ist die dreijährige Lielle jedoch ein sehr fröhliches und liebes Mädchen. Chantal und Stefan geben die Hoffnung nicht auf und geben ihr Bestes, um auch der sechsjährigen Schwester Alina ein schönes Leben zu bieten, obwohl sie auf vieles verzichten muss. So können sie als Familie keine Reisen unternehmen, ins Schwimmbad gehen oder spontan wegfahren. Dank Grosseltern, Geschwister und Freunden haben sie sich ein wichtiges Entlastungsnetz aufgebaut.
Zudem möchten sie die Leute aus dem Dorf ermutigen, offen auf die Familie zuzugehen - nachzufragen, wie es ihnen und Lielle geht und sich nicht aus Scham und Hilflosigkeit zurückzuziehen. Sie bedanken sich ausdrücklich für die Gelegenheit, im Rahmen der Firobe Chile aus ihrem ungewöhnlichen Alltag zu erzählen und für die Hilfe und das Wohlwollen, die sie jeden Tag erleben.
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